Weiten, unendliche, Aktionsradius des ►Raumschiffs 'Enterprise', um neue Welten zu erforschen und in Galaxien vorzudringen, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.

Die 'Enterprise' verfügte über einen Warp-Antrieb, der ihr Überlichtgeschwindigkeit und damit eine theoretisch unendliche Reichweite verlieh. Wie jedoch sieht es mit der Reichweite eines realen interstellaren Raumschiffs aus? Aus der ►Speziellen Relativitätstheorie läßt sich folgern, dass man auch mit Unterlichtgeschwindigkeit ziemlich schnell vorankommt. Ein Raumschiff, das auf der ersten Hälfte seiner Reise kontinuierlich mit 1 g - der Fallbeschleunigung der Erde - beschleunigt und auf der zweiten Hälfte mit 1 g abbremst, benötigt die folgenden Reisezeiten* für interstellare Ziele:

Ziel
Lichtjahre
Schiffsjahre
Erdenjahre
Treibstoffbedarf
Alpha Centauri
4,3
3,6
6
4000 t
Beta CVn
26
6,7
28
90000 t
Zentrum der Milchstraße
30000
21
30000
100 Milliarden t
Andromedanebel
2 Mio.
30
2 Mio.
400 Billionen t

Wie man sieht, kann man in unter sieben Jahren Schiffszeit mit Beta CVn eine nahegelegene potentielle ►außerirdische Zivilisation und in 30 Jahren gar den ►Andromedanebel erreichen. Wie kommen diese kurzen Reisezeiten für so riesige Entfernungen zustande? Sobald das Raumschiff einen merklichen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit erreicht - und das ist bei einer 1-g-Beschleunigung schon nach ein paar Monaten der Fall - verkürzt die relativistische Längenkontraktion die Reisestrecke in Fahrtrichtung. Je höher die Geschwindigkeit, desto kleiner wird die Entfernung zum Ziel. Von der Erde aus betrachtet verlangsamt sich hingegen die Schiffszeit aufgrund der Zeitdilatation. Beides hat den Effekt, die subjektive Reisezeit im Raumschiff stark zu verringern. Trotz der Begrenzung auf die Lichtgeschwindigkeit behindert die Relativitätstheorie also interstellare Reisen keinesweg - ganz im Gegenteil.

Leider bekommt unser Reisefieber bei dem Blick auf die letzte Spalte der Tabelle einen Dämpfer. Hier ist der Treibstoff aufgelistet, den wir zum Beschleunigen und Abbremsen eines relativ kleinen, nur 100 Tonnen schweren Raumschiffs mitführen müssen. Bereits für eine Reise ins Zentrum unserer Milchstraße gerät der Treibstoffbedarf in ziemlich utopische Regionen. Dabei verfügt unser hypothetisches Schiff keineswegs über schlappe chemische Raketenmotoren wie etwa das Space Shuttle oder die Saturn-V-Mondrakete. Wir nehmen an, dass wir den effektivsten Antrieb besitzen, der überhaupt denkbar ist.

Die Raketenformel

Der Wirkungsgrad eines Raketenmotors** wurde bereits 1903 von dem Raumfahrtpionier Konstantin Ziolkowski berechnet. Der Treibstoffbedarf pro Kilogramm Nutzlast hängt von der Ausströmgeschwindigkeit des Antriebsstrahls ab. Herkömmliche chemische Raketentriebwerke erreichen eine Ausströmgeschwindigkeit von etwa 5 Kilometern pro Sekunde - viel zu wenig für interstellare Reisen. Da die maximal mögliche Geschwindigkeit überhaupt die Lichtgeschwindigkeit ist, ist der effektivste denkbare Antrieb ein Photonentriebwerk, welches Lichtteilchen als Rückstoßmedium benutzt. Ein solches Triebwerk könnte etwa aus einem starken Laser für Röntgen- oder Gammastrahlung bestehen.

Zum Generieren der Lichtenergie soll unser Raumschiff Materie und Antimaterie direkt in Energie verwandeln. Trotz dieses hypothetischen Superantriebs mit 100% Wirkungsgrad sehen wir in der obigen Tabelle, dass wir das Gewicht eines kleineren Mondes an Materie-Antimaterie-Treibstoff mitschleppen müssen, um die nächste Galaxie zu erreichen. Dabei ist der Treibstoff für den Rückflug noch nicht einmal mit eingerechnet.

Den Löwenanteil an Treibstoff verbraucht das Beschleunigen der Treibstoffmasse, die man für die Bremsphase benötigt. Wie würde sich unsere obige Tabelle ändern, wenn wir auf das Abbremsen verzichten und unser Ziel fast mit Lichtgeschwindigkeit erreichen?

Ziel (ungebremst)
Lichtjahre
Schiffsjahre
Erdenjahre
Treibstoffbedarf
Alpha Centauri
4,3
2,3
4,9
1000 t
Beta CVn
26
4
27
5500 t
Zentrum der Milchstraße
30000
11
30000
6 Millionen t
Andromedanebel
2 Mio.
15
2 Mio.
330 Millionen t

Diese Tabelle sieht schon deutlich besser aus. Wie aber können wir unser Raumschiff am Ziel zum Halten bringen, ohne Treibstoff zum Abbremsen zu benutzen? Eine Möglichkeit wäre, als Bremsmanöver einfach mit dem Zielplaneten zusammen zu stoßen. Freilich würde ein Einschlag mit Beinahe-Lichtgeschwindigkeit eines durch relativistische Massenzunahme Millionen Tonnen schweren Raumschiffs weder dem Schiff noch dem Planeten gut bekommen. Auch bei der außerirdischen Zivilisation, die wir besuchen wollen, dürften solche Manöver zu erheblichen diplomatischen Verstimmungen beitragen.

Schwarze Löcher als Raketenbremse

Besser klingt die Idee, mit dem Zielplaneten nicht zu kollidieren, sondern in eine Umlaufbahn einzuschwenken und das Schiff durch Reibung mit der Atmosphäre allmählich abzubremsen. Allerdings benötigt man für die Umlaufbahn eines fast lichtschnellen Raumschiffs ein sehr starkes Schwerefeld, wie es nur in der Umgebung eines ►Schwarzen Loches vorkommt. Zudem darf es kein x-beliebiges Schwarzes Loch sein. Wir brauchen ein supermassives Objekt, um nicht Raumschiff und Leben durch ►Spaghettisierung zu verlieren.

Glücklicherweise gibt es in den Zentren fast aller Galaxien solche supermassiven Schwarzen Löcher, die wir - da sie in der Regel sogar über eine Art Atmosphäre in Form einer Gas-Akkretionsscheibe verfügen - für Bremsmanöver verwenden könnten. Durch geschicktes Navigieren lassen sie sich auch als 'Gravitationsschleudern' einsetzen, um unser Raumschiff ohne Treibstoffverbrauch weiter zu beschleunigen und in eine andere Richtung zu katapultieren. Auch die eng gebündelten Gasströme (Jets), die viele Schwarze Löcher in Richtung ihrer Rotationsachse ausstoßen, erweisen sich vielleicht als eine Quelle alternativer Antriebsenergie.

Auf diese Weise können wir, indem wir von Loch zu Loch 'hüpfen', eine Reihe von Galaxien nacheinander besuchen - ganz in der Tradition der 'Enterprise'. Ein gewisser Nervenkitzel ist auch dabei. Denn wir können nie sicher sein, ob das Schwarze Loch in unserer Zielgalaxie auch wirklich zum Abbremsen geeignet ist. Insoweit ähnelt eine Raumreise ohne Bremstreibstoff ein wenig dem Sprung vom Zehnmeterbrett in unbekanntes Gewässer. Dennoch - Raumfahrer sind traditionell wagemutig. Vielleicht kreisen in den galaktischen Zentren bereits ganze Flotten von Raumschiffen verschiedener Zivilisationen, die die Schwarzen Löcher als Sprungbretter für ihre Abenteuer benutzen.

Der Unendlichkeits-Antrieb

Ein Nachteil des beschriebenen Antriebsprinzips soll nicht verschwiegen werden. Antimaterie lässt sich zwar in Form von Antiprotonen bereits heute in Teilchenbeschleunigern herstellen. Jedoch kann man auch mit den größten verfügbaren Beschleunigern nur einige Milliardstel Gramm pro Jahr produzieren. Zur Herstellung von Antimaterie im Tonnenbereich gibt es derzeit keine praktische Lösung. Andere Antriebsarten hingegen, etwa die Fusion von Deuterium und Helium 3 zu Helium 4, erfordern ein Vielfaches der oben berechneten Treibstoffmengen.

Hinzu kommt das Abschirmproblem. Ein fast lichtschnelles Raumschiff erfährt eine starke Blauverschiebung (das Gegenteil der Rotverschiebung) der Objekte in Fahrtrichtung. Je nach Geschwindigkeit wird das Licht der Sterne und der kosmischen Hintergrundstrahlung vor dem Bug zuerst blau, dann ultraviolett und schließlich zu einer harten Röntgenstrahlung, die das Schiff bombardiert. Auch die Umgebung von Schwarzen Löchern ist eine Quelle tödlicher Strahlung. Interstellare Raumschiffe brauchen daher einen massiven Bleipanzer zur Abschirmung, der die Treibstoffrechnung weiter in die Höhe treibt.

Die beste Lösung wäre ein Raumschiff, das zum Beschleunigen oder Abbremsen keinerlei Treibstoff verbraucht. Dies würde dem Schiff eine theoretisch unendliche Reichweite verleihen. Die einfachste Möglichkeit ist die Trennung von Schiff und Antrieb. Wir könnten unseren Antriebslaser auf der Erde stationieren und den Laserstrahl auf einen Spiegel am Heck des Raumschiffs ausrichten, das dann allein vom Strahlungsdruck angetrieben wird.

Ist damit das Antriebsproblem gelöst? Leider nein. Zum einen lässt sich dieses Prinzip nicht zum Abbremsen verwenden - es sei denn, auf dem Zielplaneten wäre ein ebensolcher Laser installiert. Zum anderen erfährt der Laser vom Schiff aus eine Rotverschiebung. Je schneller das Schiff, desto geringer die vom Laser übertragene Energie und desto ineffektiver der Antrieb.

Der Physiker Robert Bussard schlug vor, den Treibstoff einfach dem Weltraum selbst zu entnehmen. Sogar der leere Raum zwischen den Galaxien enthält noch einige hundert Wasserstoffatome pro Kubikmeter. Nach Bussards Idee soll ein gewaltiges Magnetfeld am Schiffsbug diese ►Atome einsammeln. In einem Reaktor werden diese dann zu Helium verschmolzen und die gewonnene Energie zum Antrieb genutzt. Die Menge der eingesammelten Atome hängt von der Geschwindigkeit des Raumschiffs ab. Ein bisschen Treibstoff muss das Raumschiff daher selbst mitführen, um auf etwa zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen. Den Rest erledigt der Reaktor. Mit einem solchen Antrieb käme man ohne Auftanken von einem Ende des Hubble-Volumens zum anderen... und sogar noch weiter.

Doch auch bei diesem Unendlichkeits-Antrieb sind noch einige Problemchen zu lösen. Damit das Magnetfeld die Atome einsammeln kann, müssen diese ionisiert - elektrisch geladen - sein. In der Tat ist die Materie des interglaktischen Raums weitgehend ionisiert, innerhalb von Galaxien überwiegen jedoch ungeladene, neutrale Atome. Man könnte sie mit einem Laser am Schiffsbug elektrisch aufladen, was aber vermutlich mehr Energie kostet als die Verschmelzung einbringt. Damit die Verschmelzung überhaupt zustande kommt, müssen die Teilchen im Reaktor auf die Geschwindigkeit des Schiffs beschleunigt werden. Dabei wird das Schiff selbst abgebremst. Der Unendlichkeits-Antrieb ist also zum Bremsen wesentlich besser geeignet als zum Beschleunigen.

Möglicherweise werden interstellare Raumschiffe eine Kombination aus allen diesen Antriebsmethoden verwenden. Der Warp-Antrieb wird jedoch leider nicht dazugehören. Captain Kirk bleibt uns eine Nasenlänge voraus.


* Hier die Formeln für die relativistische Berechnung der Raumschiff-Reisezeit t, der Zeit auf der Erde T und der zurückgelegten Entfernung D, unter Annahme einer konstanten Beschleunigung a.

T = c/a * sinh(at/c) = sqrt((D/c)2 + 2D/a)
t = c/a * asinh(aT/c) = c/a * acosh(aD/c2 + 1)
D = c2/a * (cosh(at/c) - 1) = c2/a * (sqrt((aT/c)2 + 1) - 1)

Wenn das Raumschiff bis zur halben Strecke beschleunigt und danach abgebremst wird, werden Zeiten und Entfernungen in der ersten Tabelle oben vor Einsetzen in die Formeln halbiert und danach die Ergebnisse verdoppelt. Als Einheiten für Zeit und Raum nehmen wir Jahre und Lichtjahre, was die Formeln vereinfacht, denn dann beträgt die Lichtgeschwindigkeit c gerade 1 und die Beschleunigung a = 9.81 m/s2 auch etwa 1.

** Mit Ziolkowskis Raketengleichung läßt sich das Massenverhältnis von Treibstoff zu Nutzlast berechnen:

m0/me = exp(ve/ vc)

wobei ve die Endgeschwindigkeit, vc die Ausströmgeschwindigkeit des Rückstoßmediums, m0 die Anfangsmasse der Rakete inklusive Treibstoff und me die Endmasse ist. Wie man sieht, ist bei gleicher Endgeschwindigkeit das Verhältnis von Anfangsmasse zu Endmasse, d.h die Menge des mitzuführenden Treibstoffs, um so geringer, je größer die Ausströmgeschwindigkeit ist. Die obige Formel ist nichtrelativistisch, gilt also nur für kleine Geschwindigkeiten. Unter der Annahme konstanter Beschleunigung a sowie vc = Lichtgeschwindigkeit c lautet die relativistische Raketenformel für das erforderliche Massenverhältnis bei einer Reisezeit t:

m0/me = exp(at/c) - 1

Zum Abbremsen muss man hier beide Teilstrecken gesondert berechnen, wobei die Endmasse der Beschleunigungsstrecke der Anfangsmasse der Bremsstrecke entspricht.

Weblinks zum Thema

■ U.S.S Enterprise NCC-1701

 

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