Entropie (v. griech. entropía "Umwandlung"), eine Größe, die die Zahl möglicher Zustände eines Systems angibt. Der Begriff der Entropie stammt aus der Wärmelehre und meint dort ursprünglich die Änderung der Wärmeenergie eines Systems im Verhältnis zu dessen Temperatur. Um 1880 fand der Physiker Ludwig Boltzmann heraus, dass die Entropie eines Systems von der Zahl der Zustände abhängt, die die Teilchen dieses Systems einnehmen können. Je mehr Wege möglich sind, um den augenblicklichen makroskopischen Zustand des Systems zu erreichen, desto höher ist die Entropie*. Da wir bei einem makroskopischen System, etwa einer Flüssigkeit oder einem Gas, nur die äußeren Werte wie Temperatur oder Druck messen können, jedoch die einzelnen Zustände der Moleküle nicht kennen, entspricht die Entropie unserem Unwissen über dieses System. Je mehr mögliche mikroskopische Zustände zu dem gleichen makroskopischen Zustand führen können, desto mehr Information steckt in den mikroskopischen Zuständen und desto größer ist unser Unwissen. Entropie und Bloody Mary Wenn wir uns einen Drink mixen, erhöhen wir dessen Entropie. Denn im Ausgangszustand, in dem wir getrennte Bereiche mit Eiswürfeln, Vodka und Tomatensaft im Glas beobachten, ist unser Wissen über das System höher als im gemixten Endzustand, in dem wir die einzelnen Komponenten nicht mehr unterscheiden können. Die Zahl der möglichen Zustände dagegen ist im Endzustand höher, da sich die Alkohol-, Wasser- und sonstigen Moleküle unseres Drinks nun an jedem beliebigen Ort im Glas aufhalten können. Das Mixen erhöht also die 'Unordnung' der Moleküle. Je geordneter ein System ist, desto mehr können wir normalerweise über es wissen, desto geringer ist dessen Entropie. Ein glattes Blatt Papier hat eine niedrigere Entropie als das gleiche Papier zerknüllt. Ein Holzscheit im Kamin hat vor dem Verbrennen eine niedrigere Entropie als danach. Wenn ein Gebäude einstürzt, erhöht sich dessen Entropie. Wenn wir unseren Schreibtisch aufräumen, verringern wir sie, denn für geordnete Gegenstände sind weniger unterschiedliche Positionen möglich als für ungeordnete. Auch ein einigermaßen brauchbares Lexikon hat eine deutlich geringere Entropie als der ursprüngliche Zellstoff und die Druckerschwärze, aus denen es besteht. Der Entropie-Irrtum Die obigen Beispiele verleiten dazu, niedrige Entropie generell mit höherer 'Ordnung' eines System gleichzusetzen. In der Tat findet man diese Darstellung in vielen Schul- und populärwissenschaftlichen Büchern. Sie ist jedoch ein populärer Irrtum. Es gibt durchaus Systeme, in denen wachsende Entropie - und damit wachsendes Unwissen - gleichwohl zu einer Zunahme der Ordnung führt. Und diese Systeme sind in unserem Universum sogar in der Mehrzahl. Auch unser oben beschriebener Drink ist ein solches Beispiel. Mixen Sie sich eine Bloody Mary und lassen Sie sie dann ein paar Tage stehen. Im Verlauf des Experiments werden Sie eine Entmischung der Tomatensaft-Partikel bemerken. Sie konzentrieren sich auf dem Boden des Glases, während sich das leichtere Wasser-Alkohol-Gemisch darüber anordnet. Die Schwerkraft hat wieder für eine Zunahme der Drink-Ordnung gesorgt. Gleichwohl hat die Entropie ebenfalls zugenommen, denn unter Schwerebedingungen ist eine Entmischung im Laufe der Zeit viel wahrscheinlicher und entspricht daher viel mehr möglichen Zuständen als eine lange Zeit gleichförmig bleibende Verteilung. Der Einwand, dass ein der Schwerkraft ausgesetztes Getränk kein abgeschlossenes System mehr darstellt, lässt sich einfach entkräften. Schießen Sie den Drink ins All und lassen ihn weitab von allen Schwerefeldern und allen äußeren Einflüssen dahinschweben, jedoch so, dass er mit hoher Geschwindigkeit rotiert. Die Fliehkraft wird ebenfalls für eine Entmischung sorgen. Sobald also eine makroskopische Kraft, wie Schwer- oder Fliehkraft, auf Partikel wirkt, kann sie die die Ordnung des Systems erhöhen**. Wärmetod des Universums Wir sehen aus den Beispielen, dass die Entropie eines abgeschlossenen Systems in endlichen Zeiträumen nur zunehmen, nicht abnehmen kann. Dies nennt man den zweiten Hauptsatz der Wärmelehre. Er hat zwei gravierende Konsequenzen für die Entwicklung unseres Universums. Die erste Konsequenz ist, dass die Entropie eine eindeutige Richtung der ►Zeit vorgibt. Wenn man ein abgeschlossenes System im Zustand niedriger Entropie mit dem gleichen System im Zustand hoher Entropie vergleicht, weiß man, dass der Zustand hoher Entropie der spätere ist. Die zweite Konsequenz ist, dass auch die Entropie des Universums ständig zunimmt***. Sonnen werden verlöschen, Galaxien sich auflösen, Temperaturdifferenzen sich ausgleichen. Der Endzustand des Universums ist der Wärmetod - ein Zustand maximaler Entropie. Wie dieser Zustand im Einzelnen aussehen wird, können Sie unter ►Universum nachlesen. * Die genaue Beziehung ist S = kB ∙ ln(Ω), wobei S = Entropie, kB = ►Boltzmann-Konstante 1,3806505∙10-23 J/K, und Ω = Zahl der möglichen Zustände. ** Auch ohne Einwirkung einer Kraft kann der Drink von selbst wieder in den Zustand übergehen, in dem er vor dem Mixen war. Hierzu muss man einen zwar extem großen, jedoch endlichen Zeitraum abwarten. Der Physiker Dieter Zeh berechnete mit Computermodellen die Zeit, die ein zweidimensionaler 'Drink' aus nur 50 Molekülen braucht, um sich rein durch Zufall auf einem Sechstel der verfügbaren Fläche zu gruppieren. Er kam auf das 1017fache des Alters des Universums. *** Zumindest In "einigermaßen endlichen" Zeiträumen. Anders sähe es aus, wenn unser Universum nicht nur unendlich groß, sondern auch unendlich alt wäre. In einem unendlich alten Universum nehmen Moleküle im Lauf der Zeit beliebig oft alle physikalisch möglichen Zustände ein. Daraus folgt, dass auch die Entropie beliebig oft wieder auf einen Minimalwert 'zurückspringen' kann und wird, wie etwa dem Zustand maximaler Dichte zur Zeit des ►Urknalls.
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